Was treibt dich an? Interview mit Maren von Zero Waste Köln

Maren Teichert alias “Minza will Sommer”, ist eine Green Bloggerin, Vorständin von Zero Waste Köln, ehrenamtlich aktiv bei Femnet e.V., ausgebremst durch Corona bei A4F und Initiatorin des offenen Gesprächskreises „Exit Happyland“ zum Thema Antirassismus. Hauptberuflich ist sie Architektin mit einem pädagogischen Background, der sich vor allem in ihrem Gerechtigkeitssinn widerspiegelt und sie antreibt einen Beitrag für eine bessere Zukunft zu leisten. Maren und ich kennen uns von Zero Waste Köln, wo auch ich ehrenamtlich aktiv bin. In unserem Gespräch geht es darum, wie und warum sie sich engagiert, wie man den Weg zum Engagement finden kann und was sie sich für die Zukunft wünscht.

Hi Maren, erzähl doch mal kurz wer du bist, woher du kommst und was dir wichtig ist.

Ich komme aus dem Sauerland, bin ein Kind vom Land. Die eine Hälfte meiner Familie sind Architekten, die anderen kommen aus der Landwirtschaft. Vom Land wollte ich dann aber auch schnell weg, um sowohl sowohl politisch als auch gesellschaftlich mehr mitzubekommen. Ich bin dann für meine für meinen 1. Job nach dem Architektur- und Aufbaustudium ‚Planen und Bauen im Bestand‘ vor bald 16 Jahren in Köln gelandet. 

Wichtig ist mir Gerechtigkeit. Ich mag schon Kleinigkeiten, z.B. wenn jemand benachteiligt behandelt wird, ihm oder ihr nicht zugehört wird, nicht. Das geht dann weiter bis hin zu Demokratie, Frauenrechte und Umweltschutz. Die Ungerechtigkeiten bei diesen Themen machen mich extrem traurig und wütend. Weil ich das Ohnmachtsgefühl dabei nicht ausgehalten habe, bin ich aktiv geworden. Ich bin selbst nicht immer die Mutigste, habe aber ein paar Skills kennengelernt, die es mir erleichtern in unangenehmen Situationen den Mund aufzumachen.

Was für Skills sind das? Die können wir bestimmt alle gut gebrauchen.

Rhetorikseminare, gewaltfreie Kommunikation und Humor sind sehr hilfreich. Das ist ein Prozess, ein stetes Üben, damit das Gelernte verinnerlicht meins ist und kein plumpes Abspulen von Theorie. Denn das kann, finde ich, eher komisch lustig, befremdlich oder unangenehm unpersönlich auf das Gegenüber wirken.

„Wir haben einige Vorbilder, zum Beispiel bei den Zero Waste Städten. Da gibt es Städte, bei denen das einfach schon funktioniert. Warum machen wir das nicht auch so hier in Köln, in allen Städten Deutschlands, in der Welt.“

Dein Gerechtigkeitssinn hat dich also angetrieben aktiv zu werden – seit wann engagierst du dich und wofür? Wie hast du die Organisationen gefunden, bei denen du jetzt aktiv bist?

Ich bin es schon aus Kindheitstagen gewöhnt, mich ehrenamtlich zu engagieren, ob es jetzt Zweckgebunden oder Themengebunden war. Ich bin zum Beispiel in einer evangelischen Kirchengemeinde groß geworden, da war es ganz normal, dass ich irgendwann die Kinderbetreuung übernommen habe, in der Jugendarbeit mitgewirkt oder Veranstaltungsplakate gezeichnet habe. Später ging es auch mal in andere Regionen, z.B. zum Wiederaufbau nach der Elbeflut 2013 statt in den Urlaub. In Köln hab ich mich 2015 in der Geflüchtetenarbeit engagiert. Den Verein Femnet e.V., der sich für die Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie einsetzt, hatte ich schon lange auf dem Schirm, weil ich mich viel mit Fair- und Fast Fashion auseinandergesetzt hatte. Als sie dann ihren Stammtisch “Fairquatschen” auch in Köln initiiert haben, habe ich angefangen zu den Treffen zu gehen. Insgesamt würde ich meinen Aktivismus aber als “schleichenden” Prozess beschreiben. Von zu Hause habe ich einiges mitbekommen, das mir jedoch erst auffiel, als ich begann mich mit Themen der Nachhaltigkeit mehr auseinanderzusetzen. Auch auf meinem Blog, den ich 2012 in einer nächtlichen Aktion gestartet habe. Ich habe da automatisch über Second-Hand Themen geschrieben, es aber Anfangs nicht direkt unter dem Thema Nachhaltigkeit gelabelt. Das kam dann mit der Zeit, sowie auch der Green Blogger Stammtisch, der sich aus einem Green Blogger Meet Up entwickelt hat, an dem ich teilnahm.

Man kann also zusammenfassen, dass du angefangen hast dich über Themen zu informieren, Femnet e.V. entdeckt und zu deren “Fairquatschen” Treffen gegangen bist. Mit dem Start deines Blogs entwickelte sich ein deutschlandweites Netzwerk durch digitalen Austausch,  Bloggerveranstaltungen, und in Köln auch durch den Green Blogger Stammtisch. Nach und nach hast du dann auch angefangen selbst Aktionen zu planen und umzusetzen.

Ja, das stimmt. Zum Beispiel habe ich 2018 mit dem Green Blogger Stammtisch angefangen die Fair Fashion Radtouren zur Fashion Revolution Week zu  organisieren, da war auch Femnet.e.V. mit im Boot. Wir zeigen auf unseren Touren die Vielfalt von Möglichkeiten in Köln für Leute mit Leidenschaft für Mode oder auch nur zur günstigen Bedarfsdeckung: Fair Fashion- und Secondhandläden, Sozialkaufhäuser oder die Kleiderei mit Leihkonzept.
Und weil ich die Fashion Revolution Demos in anderen Großstädten so großartig und wichtig fand und den Eindruck hatte, Köln ist da noch im Schlafmodus, habe ich 2019 selbst eine Demo angemeldet – Fashion Revolution vor dem Kölner Dom. Da waren unter anderem der Green Blogger Stammtisch, Femnet e.V. und Zero Waste Köln e.V. mit dabei.

Bei Zero Waste Köln bist du von Anbeginn seit 2018 im Vorstand mit dabei – wie kam es zu dieser Rolle bzw. zur Gründung des Vereins?

Das Thema “Zero Waste/Zero Waste Städte” lag in der Luft; ich traf immer wieder Leute bei Veranstaltungen, mit denen ich darüber sprach. Das Thema “eine ganze Stadt in eine Zero Waste Stadt umzustrukturieren“ reizte mich. Ich wollte politisch und gesellschaftlich größer denken und agieren, als nur zuhause meine Haare mit Roggenmehl zu waschen. Es gab dann mehrere Leute, die sich für das Thema interessierten und ein erstes Treffen arrangierten – nach diesem Treffen ging es einfach direkt los. Ich war total beeindruckt von der Zugkraft der Beteiligten.

Wie sieht deine Arbeit bei Zero Waste Köln genau aus? Was für Aktionen werden hier umgesetzt?

In der Vorstandsarbeit geht es um Organisatorisches. Ich bin in vielen Arbeitskreisen mit aktiv (Politik, Picknick, Infostand, Gastro, ..) und selbst moderiere ich den AK Marketing und das Tauschteam. Im AK Marketing haben wir die Social Media Präsenzen aufgebaut und wir berichten stets, was bei uns so los ist und haben viele Ideen darüber hinaus. Mit dem Tauschteam haben wir große Kleidertauschs mit um die 1000 Besucher*innen und kleinere Tauschveranstaltungen geplant und umgesetzt: Dingetausch, Weihnachtssachen, Wohngedöns, Männerklamotten, Pflanzen. Stets mit dem Anspruch, dass es nicht nur ums Tauschen, sondern auch um Wissensvermittlung geht. Passend zum Tauschthema erarbeiten wir dann eine Art Ausstellung (Fast Fashion, Slow Fashion, Weihnachtsbäume, Kerzen, Pflanzen, …) und laden andere Kölner Initiativen mit eigenem Infostand ein. Bei Kleidertauschs ist immer eine Repairstation dabei zum Reparieren, Upcyceln oder um sich von Profis Kniffs und Tricks abzugucken. Mit der Coronapandemie haben wir das Tauschen als Cologne Swapping Week digital umgesetzt. Ende März findet jetzt die Aktionswoche zum Frühling mit Informationen und Tausch rund um die Themen Pflanzen, Garten und Artenvielfalt statt. Wir haben die Herausforderung “Corona” angenommen und unser Wirken angepasst – das ist uns recht passabel gelungen, würde ich sagen.

Was macht das Thema Zero Waste für dich so relevant und was glaubst du, wieviel wir mit dieser Bewegung noch erreichen können?

Ich glaube, dass wir durch unsere Arbeit das Thema in der Stadtpolitik und Stadtgestaltung relevant werden lassen können und da auch schon auf einem guten Weg sind. Je mehr Menschen sich für ein Thema stark machen – siehe Fridays for Future – desto mehr Kraft erreicht es auch in der Politik. Und das ist genau das, was ich voranbringen möchte.

Auf welche Projekte oder Ergebnisse deiner Engagements bist du stolz?

Zum Beispiel das Zero Waste Pop-up Cafe, welches wir 2019 in Köln für drei Wochen eröffnet hatten. Das war eine richtig kurzfristige Angelegenheit, ist aber total aufgegangen. Die Jungs von der Fair Coffee Firma Plastic2Beans hatten mitbekommen, dass ein Café unten im Haus bei ihnen für drei Wochen lang leerstehen sollte und wollten es einfach für diese Zeit übernehmen. Da bei ihnen das Thema Zero Waste auch eine große Rolle spielt, hatten sie dabei auch direkt an unseren Verein gedacht. Wir hatten dann zwei Wochen Zeit ein Mietrestaurant in ein Zero Waste Pop Up Café zu verwandeln. Das Café mit fast jedem Tag stattfindenden Veranstaltungen ist super gut besucht worden, das Team kam fast nicht hinterher, obwohl wir wirklich von allen Seiten Unterstützung bekamen. Zudem hatten wir hatten unglaublich viel gute Presse. Es war einfach der richtige Zeitpunkt für diese Umsetzung.

Ein anderer Punkt: ich persönlich finde es manchmal fast erdrückend, wenn ich zum einen sehe was in der Welt los ist und zum anderen denke “Wie soll ich da als Einzelperson was ausrichten, was kann ich schon bewegen?“ Ich denke, das geht vielen so und dabei steigt der Drang ebenfalls aktiv zu werden. Was würdest du Menschen raten, die sich auch engagieren möchten, aber überfordert sind vom Angebot, nicht wissen wo und was das Richtige für sie ist?

Ja, das Problem kenne ich, ein richtiges Rezept dafür habe ich ad hoc leider auch nicht parat. In Köln gibt es zum Beispiel die Kölner Freiwilligen Agentur – sowas gibt es bestimmt in vielen Städten. Dort lassen sich Informationen darüber finden, was es alles für Bereiche gibt, um dann ein für sich passendes Thema zu entdecken. Ich habe über die sozialen Medien Initiativen kennengelernt (Bsp. Femnet, Geflüchtetenhilfe) und bin dann mal zu einem der Treffen gegangen zu denen eingeladen wurde – also ein bisschen Eigeninitiative ist hier schon erforderlich.

„Kleine Schritte sind natürlich wichtig, aber eigentlich rennt die Zeit dafür gerade zu sehr. Gemeinschaftlich etwas schaffen und mit größeren Aktionen “im Großen Ganzen” etwas zu bewegen, ist schon der beste Weg mitzuwirken.“

Ja, ich glaube aber manchmal ist genau dieser erste Schritt, sich alleine etwas rauszusuchen, ohne zu wissen was einen erwartet, für einige schon eine zu große Hürde, auch im Bezug darauf sich langfristig für etwas zu engagieren.

Ja total, finde ich einen wichtigen Punkt. Ich habe geschaut, welche Regelmäßigkeit mit dem ein oder anderen Ehrenamt verbunden sind, welche Verantwortungen ich passend zu meinem Lebensalltag eingehen kann, neben Job, Familie und anderen Leidenschaften. Und da eröffnet sich individueller Spielraum, zwischen sporadischem Mitwirken oder Regelmäßigkeiten, vor Ort mit anderen zu arbeiten oder allein von zuhause aus was zu machen, in einer Gruppe mitzuwirken oder selbst die Zügel in die Hand zu nehmen. Jede*r bestimmt frei, was sie/er wann und wie einbringen möchte und kann.

Mit dem Ausprobieren entdeckt man ja auch, ob es zu einem passt oder nicht.

Genau, und wenn die Runde des Vereins zu dem man mal Testweise geht, nicht ganz die Passende ist, lernt man aber vielleicht hier eine Person kennen, die einen zu etwas anderem bringt. Man kann ja nicht immer auf alles alleine kommen, die Verbindung mit Anderen hilft hier sehr.

Ich habe das Gefühl, dass die Themen Aktivismus und Engagement gerade immer größer werden. Warum meinst du, wird das gerade so wichtig?

Ich denke aus einer Ohnmacht heraus. Mich machen diese ganzen Informationen platt, sprachlos. Manchmal sitze ich zuhause und bin überhaupt nicht aktiv, fühle mich einfach nur überrollt und überfordert. Wenn ich dann wieder Kraft getankt habe, versuche ich die negative Energie zu nehmen und in etwas Positives umzuwandeln, was zu tun. Ich hab dann nicht am nächsten Tag ein fertiges Ergebnis, aber ich möchte eben nicht Teil des Problems sein, sondern Teil der Lösung und mich dafür einsetzen. Wenn ich das auch noch mit anderen mache, dann potenziert sich mein Mut, meine Kraft und meine Motivation – dann fühle ich mich nicht mehr so ohnmächtig. Das ist für mich ein Riesen-Motor.

Wie glaubst du, können wir am besten bei gesellschaftlichen Entwicklungen mitwirken und wobei hat unsere Beteiligung einen Mehrwert?

Kleine Schritte sind natürlich wichtig, aber eigentlich rennt die Zeit dafür gerade zu sehr. Gemeinschaftlich etwas schaffen und mit größeren Aktionen “im Großen Ganzen” etwas zu bewegen, ist schon der beste Weg mitzuwirken. Auch um den Druck von sich allein rauszunehmen. Und wählen gehen ist auch schon ein wichtiger Schritt. Dieses Recht, das nicht überall auf der Welt so selbstverständlich gegeben ist, sollten wir alle, die es haben nutzen.

„Wir haben in unserem Land das Privileg eine Stimme zu haben und diese ohne Befürchtungen einsetzen zu können, insbesondere für all die Menschen auf der Welt die keine Stimme haben oder die, die in ihren Lebensumständen keine Kapazitäten frei haben, sich mit diesen Themen zu befassen.“

Kannst du Menschen, Plattformen, Bücher empfehlen zu den Themen Engagement und Aktivismus?

Die Bücher von Kathrin Hartmann. Eigentlich rundum alle. Von Richard David Precht habe ich auch viel gelernt und wenns nur das war, dass er Themenvertiefungen bei mir angestupst hat, z.B. zum Thema Schulsystem oder Recht der Tiere. Und Greenpeace ist halt der Allrounder, da gibt es Fachwissen auf so vielen Gebieten – finde ich immer spannend und inspirierend.

Was ist dein persönlicher Zukunftswunsch?

Wir haben einige Vorbilder, zum Beispiel bei den Zero Waste Städten. Da gibt es Städte, bei denen das einfach schon funktioniert. Warum machen wir das nicht auch so hier in Köln, in allen Städten Deutschlands, in der Welt. Ich wünsche mir, dass das ganze unglaubliche Know-How von Menschen, die schon starke Konzepte und Ideen – wie z.B. solidarische Landwirtschaft, das Lieferkettengesetz, Gemeinwohlökonomie, Kreislaufwirtschaft etc. – entwickelt haben, im größeren Maßstab umgesetzt wird. Dann sollte alles gut werden.

Wofür lohnt es sich zu kämpfen?

Ganz egoistisch lohnt es sich dafür zu kämpfen, dass ich ein gutes Gefühl habe. Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich mich für die richtigen Sachen einsetze, wenn meine Fähigkeiten gesehen werden und auch noch zu was nütze sind. Wir haben in unserem Land das Privileg eine Stimme zu haben und diese ohne Befürchtungen einsetzen zu können, insbesondere für all die Menschen auf der Welt die keine Stimme haben oder die, die in ihren Lebensumständen keine Kapazitäten frei haben, sich mit diesen Themen zu befassen.

Vielen lieben Dank für das bereichernde Gespräch Maren!

Hier findet ihr Maren mit ihrem Blog und ihren Engagements:

Minza will Sommer
Zero Waste Köln e.V.
Femnet e.V.
Architects 4 Future

Das Header Foto stammt von Franzi Schädel, alle anderen haben das Copyright bei Maren Teichert.

Kategorien Engagement

über

Kreativ, gesellig, neugierig. Lebe mit 2 bis 5 männlichen Wesen zusammen. Bin unterwegs und in Gemeinschaft meistens am Glücklichsten, liebe Lebensgeschichten und erzähle auch gerne welche. Nachhaltigkeit bedeutet für mich auch mal zu verzichten, aber vor allem Wertvolles neu zu entdecken.

1 Kommentar zu “Was treibt dich an? Interview mit Maren von Zero Waste Köln

  1. Hey Cosima, Hey Maren! „Im Großen Ganzen” etwas zu bewegen – da stimme ich euch 100% zu. Es geht darum, selbst Vorbild zu sein und vormachen, wie Zero Waste funktioniert – aber es geht auch darum, der Bewegung Gesicht zu verleihen und mehr Menschen dafür zu begeistern. Wenn wir nur an uns selbst denken, verändern wir nur langsam etwas. Wir müssen es vorleben und andere Menschen motivieren, es auch zu tun. So wird aus einem Trend eine Bewegung.

    Viele Grüße und weiterhin maximalen Erfolg!
    Christoph

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