2016 stolperte ich über die neu gegründete Jugendbewegung DEMO und damit auch über Mareike Nieberding, die sie gerade gegründet hatte. Mit der Gründung von DEMO wollte sie der Ohnmacht entfliehen untätig dem politischen Wandel, der sich für sie bedrohlich anfühlte, ausgesetzt zu sein – damit traf sie ganz meinen Nerv und somit meine Begeisterung, dieser Bewegung ebenfalls zu folgen. In ihrem Buch “Verwende deine Jugend” appelliert sie an die Jugend, sich politisch zu beteiligen, denn: Macht kommt von machen, also macht. Ein Leitspruch, den man sich gut auf die Fahne schreiben kann, wenn man nicht alles einfach nur hinnehmen möchte. Im Interview erfahrt ihr mehr über die geplanten Aktionen und Möglichkeiten zum Mitmachen bei DEMO, aber auch über Mareikes persönlichen Antrieb, Inspirationen und warum und wie sich jedes Engagement lohnt.
Du bist Journalistin, Autorin und Gründerin von DEMO bewegt – was bedeutet dir deine Arbeit?
In allem, was ich tue, sei es beruflich, politisch oder privat, als Journalistin, Autorin oder DEMO-Gründerin, fühle ich mich diesem kleinen großen Satz verpflichtet, der das Herzstück unseres Grundgesetzes bildet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nach dieser Maxime versuche ich zu handeln und zu leben und zu entscheiden – das ist eine ganz schöne Herausforderung, immer das große Ganze im Blick zu haben und dabei nicht den Einzelnen zu übersehen, gerecht zu sein, mir selbst und anderen gegenüber, emphatisch und zugewandt. Wer schafft das schon immer? Aber ich bemühe mich.
Was hat dich angetrieben, die Jugendbewegung DEMO 2016 zu gründen?
Donald Trump, jetzt, wo er längst abgewählt ist, klingt das vielleicht weit weg, aber damals, im November 2016, habe ich seine Wahl zum US-Präsidenten als eine extreme Bedrohung und als sehr schlechtes Zeichen auch für Deutschland und Europa empfunden. Wenn die Amerikaner*innen einen Sexisten, Rassisten, einen Hetzer wählen, wieso sollten das nicht auch uns passieren können? Der Brexit war gerade entschieden, die AfD gewann an Zustimmung, all dem wollte ich gemeinsam mit anderen etwas entgegensetzen. Liebe statt Hass, Verbundenheit statt Spaltung. Ich wollte mit Aktionen und Workshops, im Austausch mit jungen Menschen im ganzen Land, nicht weniger als die Menschlichkeit retten, ziemlich größenwahnsinnig, aber so hat DEMO seinen Anfang genommen.
Was ist das Ziel von DEMO und wie wollt ihr es erreichen?
DEMO will junge Menschen für Politik begeistern, politisches Selbstbewusstsein vermitteln und zum Wählen motivieren. DEMO organisiert verschiedene Veranstaltungsformate – immer in ungezwungener und entspannter Atmosphäre und in Interaktion mit dem Publikum – und bringt so Menschen ins Gespräch, die normalerweise nicht miteinander ins Gespräch kommen würden. Wir versuchen den politischen Diskurs von den Podien zurück in die Gesellschaft und zu den jungen Menschen, in die Bar, die Kneipe, den Club zu bringen.
„DEMO hat mir beigebracht, dass jede Begegnung zählt, dass jedes Gespräch einen Unterschied machen kann, dass man gemeinsam mit anderen – und seien sie politisch noch so anderer Meinung – wahnsinnig viel erreichen kann, dass Engagement in vielen Farben und Formen kommt und jede*r für sich die Richtigen finden muss und dass junge Menschen sehr viel besser, cooler, informierter, lustiger, engagierter sind als ihr Ruf.„
War das dein erster politischer Aktivismus oder gabs den bereits zuvor?
Ich war immer politisch, aber für mich war Politik als Jugendliche eher etwas, was in der Zeitung stattfand – und in der Diskussion mit Familie und Freund*innen. Und ehrlich gesagt hatte ich als junger Mensch auch andere Sorgen: die erste Liebe, ausziehen, Erwachsenwerden. In meinem Buch „Verwende deine Jugend“ bezeichne ich mich selbst als faule Optimistin, als jemand, der glaubt, das schon alles gut gehen wird, irgendwie. Das hat sich mit der DEMO-Gründung geändert, auf einmal war ich mittendrin und das war aufregend und neu und auch ein bisschen beängstigend manchmal, aber es hat vor allem viel Spaß gemacht, weil aus dem Ich bald ein Wir wurde und DEMO mit vielen anderen Mistreiter*innen zu einer tollen Plattform für politisches Engagement.
Welche Erfahrungen bzw. Erfolge kannst du bis heute aus DEMO ziehen? Woran messt ihr euren Erfolg?
DEMO hat mir beigebracht, dass jede Begegnung zählt, dass jedes Gespräch einen Unterschied machen kann, dass man gemeinsam mit anderen – und seien sie politisch noch so anderer Meinung – wahnsinnig viel erreichen kann, dass Engagement in vielen Farben und Formen kommt und jede*r für sich die Richtigen finden muss und dass junge Menschen sehr viel besser, cooler, informierter, lustiger, engagierter sind als ihr Ruf. Alles, was wir machen, ist für mich ein Erfolg, weil ich es immer noch Wahnsinn finde, dass wir – ein loser Zusammenschluss politisch Engagierter, von denen sich viele noch nie gesehen haben – überhaupt etwas zusammen auf die Beine stellen. Wir messen unsere Erfolge nicht. Warum auch? Wir müssen niemandem etwas beweisen. Alles, was wir wollen, ist einfach mal was zu machen, statt immer nur zu meckern. Und das gelingt uns mit jedem Workshop, jedem Politischen Bierdeckel in einer Kneipe, wo wir Politiker*innen zum Gespräch laden, mit jedem Pubquiz, jeder interessanten Insta-Umfrage, an der viele Leute teilnehmen. Denn es ist allemal mehr, als wir alle vorher für die Demokratie getan haben.
Was sind eure Ziele in diesem Jahr, dem Superwahljahr?
Die Ziele sind dieselben wie eh und je: der Jugend eine Stimme geben und so viele junge Menschen wie möglich für Politik zu begeistern und zum Wählen zu motivieren.
Was für Aktionen habt ihr mit DEMO geplant?
Wir werden wieder unsere beliebten Kneipenaktionen machen, es sind mehrere Politische Bierdeckel und Pubquiz‘ in mehreren deutschen Städten geplant. Wir werden eine Insta Live Interviewreihe mit jungen Politiker*innen starten und ein Erstwähler*innen-Kit rausbringen, das junge Menschen auf die Wahl vorbereiten soll – und hoffentlich noch vieles mehr!
Wie kann man bei euch mitmachen?
Das ist ganz einfach, man kann einfach eine Mail an hallo@demo-bewegt.de schreiben und wir melden uns bei Dir! Oder folgt uns auf Instagram @demo_bewegt und schreibt uns eine DM. Inhaltlich kann bei uns jeder seinen Interessen und Talenten folgen – wer gerne organisiert, kann in seinem/ihrem Ort in seiner/ihrer Stammkneipe ein Pub-Quiz auf die Beine stellen, wer die tollsten Instagram-Stories macht, kann uns bei Social Media unterstützen, wer am direkten Austausch mit jungen Leuten interessiert ist, kann einen Workshop in seiner/ihrer (alten) Schule organisieren, wer tolle Fotos schießt, kann uns bei der Dokumentation unserer Events helfen. Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie DEMO selbst.
„Schließt euch zusammen, bildet Banden, identifiziert die Themen, die euch wichtig sind und setzt euch lautstark für sie ein: auf Demos, in eurem Gemeinderat, in Online-Petitionen, in eurer Schule, in eurem Uni-Parlament. Was junge Menschen alles erreichen können, das sieht man an Fridays for Future – die ganze Weltpolitik schaut auf diese jungen Leute.„
Was würdest du jungen Menschen raten, wenn sie sich beteiligen, aktiv werden und was verändern möchten? Wo wirkt ihr Handeln?
Überhaupt mal mit etwas anfangen. Das kann auch etwas Kleines sein, eine Insektenwiese pflanzen oder etwas Großes, in eine Partei eintreten. Manchmal bedeutet politisch sein auch einfach, den Mund aufzumachen, wenn man merkt, dass die Kolleg*innen schon wieder Witze über Frauen oder Minderheiten reißen. Und: Schließt euch zusammen, bildet Banden, identifiziert die Themen, die euch wichtig sind und setzt euch lautstark für sie ein: auf Demos, in eurem Gemeinderat, in Online-Petitionen, in eurer Schule, in eurem Uni-Parlament. Was junge Menschen alles erreichen können, das sieht man an Fridays for Future – die ganze Weltpolitik schaut auf diese jungen Leute. Greta Thunberg hat bewiesen, dass jede*r Einzelne die Chance hat, die Welt zu verändern. Man muss sich nur mit anderen zusammentun!
Was stimmt dich aktuell optimistisch und feierst du daher?
Dass junge Menschen weltweit, trotz einer globalen Pandemie, weiterhin dafür kämpfen, dass endlich eine zukunftsfähige Klimapolitik gemacht wird.
Über welche Umstände in der Welt kotzt du gerade?
Über viele, klar, es gibt irre viel, was mir unglaubliche Sorgen macht. Aber wenn wir aufs vergangene Jahr schauen, dann kotze ich vor allem darüber, wie junge Menschen, Kinder, Jugendliche, Auszubildende, Student*innen in der Pandemie komplett vergessen und mit ihren Problemen und Sorgen alleine gelassen wurden. Ging es mal um sie, dann wurden sie als Pandemietreiber*innen diffamiert, das hat mal wieder gezeigt, wo die Jugend in Deutschland als kleinste Wähler*innengruppe politisch steht: im Abseits.
Hast du drei Empfehlungen, ob Bücher, Plattformen oder Menschen zum Thema Aktivismus und Engagement, die dich inspiriert haben?
Die Familie Backsen von der Nordseeinsel Pellworm, die mit anderen Bauern und Betroffenen die Bundesregierung beim Verfassungsgericht verklagt und gewonnen haben und so dafür gesorgt haben, dass die Bundesregierung eine bessere Klimapolitik machen muss.
Das Buch „Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay, das zwar kein klassisches Aktivist*innenbuch ist, aber auf fantastische Weise zeigt, wie sehr unser Miteinander davon abhängt, wie wir miteinander sprechen.
Die Ärztin Kristina Hänel, die trotz der Widrigkeiten, der Gerichtsverhandlungen, der Anfeindungen einfach nicht aufgibt und weiter dafür kämpft, dass Frauen in Deutschland endlich einen sicheren und gut informierten Zugang zu Abtreibungen bekommen.
Die Initiative 19. Februar aus Hanau, die gemeinsam mit anderen Betroffenen von rechter Gewalt nicht müde werden, Gerechtigkeit für die Ermordeten und Überlebenden einzufordern und Politik und Polizei in die Pflicht nehmen, endlich mehr für all die Menschen zu tun, die in Deutschland von Rassismus betroffen sind.
Das waren nun schon vier – und es gibt noch so viele mehr…
Wofür lohnt es sich zu kämpfen?
Liebe. Gerechtigkeit. Wahrheit.
Was treibt dich persönlich an?
Das Vertrauen in die anderen.
Vielen Dank für das Gespräch und deine tollen Impulse, Mareike!
Hier findet ihr DEMO bewegt:
www.demo-bewegt.de
Instagram: demo_bewegt
Copyright Headerbild: Tanja Kernweiss
Alle anderen Bilder: DEMO
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