Umgezogen bin ich wahrhaftig schon oft, ob nun wegen Wohnortwechsel, einer attraktiveren oder erschwinglicheren Wohnung, Zusammen- und wieder Auseinanderziehen, weil mein Stadtviertel gerade zunehmend verslumt oder, im Gegenteil, gentrifiziert wird oder oder oder.
Aber ein Umzug von einem ganzen Garten mitsamt Haus? Das ist nicht nur für mich ein Novum.
Geht so etwas überhaupt? Und warum eigentlich das Ganze?
Der Anlass ist traurig genug: Meine ehemalige Kleingartenkolonie ist aufgelöst worden, und allen Pächtern wird auf ebenso unschöne Weise wie kurzfristig gekündigt. An der Seriosität des Investors mag genauso gezweifelt werden wie an der Lösung des Berliner Wohnungsproblems durch die Zerstörung von Kleingärten mit dem Ergebnis, dass es nur noch mehr Brachflächen gibt – aber das soll hier nicht das Thema sein.
Vielmehr zwingt mich die Kündigung dazu, Bilanz aus meiner bisherigen Gartentätigkeit zu ziehen und nachzudenken: Wie soll es weitergehen? Und dazu habe ich aufgrund der Kündigungsfrist nicht ewig Zeit, eine Entscheidung muss zügig fallen.
Mein Hauptbeweggrund war von Anfang an die Möglichkeit, viel draußen sein zu können, aber etwas „Infrastruktur“ sollte auch dabei sein. Heißt: mehr, als bei Ausflügen ins Grüne oder in den Park möglich ist.
Dann sollte dieses Refugium mir weiter ein Wohnen in der Stadt ermöglichen, erschwinglich sein, nicht zu weit weg von meiner Wohnung liegen und vor allem mit dem Fahrrad, im Winter auch mal öffentlich und auf jeden Fall ohne Auto erreichbar sein – damit scheidet die Option einer Wohnung am Stadtrand mit Garten oder eines Ferienhauses im Umland oder gar weiter weg von Berlin aus. Die Kunst des Gärtnerns beherrsche ich inzwischen einigermaßen und schätze sie.
Fazit: Ich brauche also einen neuen Kleingarten.
Solche Gedanken wälzend sitze ich gleichermaßen in Abschieds- und Aufbruchstimmung auf der mit wildem Wein zugewachsenen Terrasse vor meiner schönen Holzlaube. Und da wird mir auf einmal eins klar: Das hier will und kann ich eigentlich überallhin mitnehmen – solange sich das Haus auseinanderschrauben lässt und sich ein geeignetes Grundstück findet. Ein befreundeter Handwerker bestätigt es mir: Technisch ist das durchaus möglich, Pflanzen kann man ausgraben und mitnehmen, und der Rest wächst schon irgendwie nach, der wilde Wein sowieso, aber vieles andere hoffentlich auch.
So reift mein Plan immer weiter heran, und darum sollen die Dinge auch beim Namen benannt werden. Für die Laube suche ich einen nordischen Männernamen mit Bezug zu Berlin und entscheide mich für „Gustav“, weil ich dabei an Gustav mit der Hupe aus „Emil und die Detektive denken muss“. Und darum heißt die ganze Aktion von jetzt an: „Rettet Gustav!“, denn der soll nicht unter den Bagger kommen, mögen auch noch so viele Immobilienhaie anrollen! Und Pflanzen sollen sie auch keine bekommen, nicht eine einzige (zumindest keine schönen und keine, die sich ausgraben lassen).
Aber wohin mit Gustav? Fieberhaft suche ich ein Gelände ohne Laube und werde zum Glück auch relativ schnell fündig – ein völlig ungepflegtes Schandfleckchen ohne alles, das deshalb auch keiner haben will, aber in erträglicher Reichweite, hübscher Lage und in einer netten Kolonie. Da heißt es zugreifen – und rechnen. Die voraussichtliche Ablösesumme für meinen alten Garten dürfte mit Ach und Krach die Handwerkerkosten für den Umzug decken, aber natürlich bleibt es ein gewaltiges Abenteuer, das mir viele Entscheidungen abverlangt.
Die einfachste ist der Name: Das neue Gelände soll „Emil“ heißen, siehe oben die Entscheidung zu Gustav!
Aber wo soll Gustav auf Emil zu stehen kommen? Es gilt, Abstände zu Nachbarn einzuhalten, Vorschriften zu beachten, die Sonneneinstrahlung zu prüfen und in Gedanken den Garten anzulegen. Da ist es wie mit einer Wohnungsbesichtigung: Blümchentapeten und Tine-Wittler-Möbel muss man sich wegdenken und stattdessen ganz einfach das Maßband anlegen, Grundrisse auf Papier zeichnen und in Gedanken alles einrichten. Bei einem Garten heißt das natürlich auch: Wo stehen bereits Büsche und Bäume? Ist das Gelände eben? Wie ist es geschnitten? Ich überlege, wo Wege hinsollen, wo ich Beete haben will, wo ein Rasen hingehört, in welche Richtung die Terrasse zeigen soll und und und.
Unkalkulierbar bleibt freilich alles, was dann noch auf mich zukommt. Wie mögen die Nachbarn sein? Welches Ungeziefer gibt es hier, wie sind die Böden, werden die Pflanzen hier gedeihen, welche lästigen Lärmquellen könnten sich auftun, und lauern womöglich irgendwelche Altlasten im Boden?
Aber ich fühle mich auch wie ein Bauherr im Kleinen, und eigentlich ist es ein spannendes Experiment, denn anders als bei einem Wohnungsumzug habe ich ja weiterhin mein Zuhause und damit ein sicheres Dach über dem Kopf.
Während die Entscheidungen nacheinander fallen, heißt es, Formalitäten zu erledigen – zum Glück bin ich gartentechnisch nicht mehr ganz trocken hinter den Ohren, und so bringe ich alles recht zügig unter Dach und Fach. Der Bezirk genehmigt meine Pläne und damit den Bau einer Laube, und so kann das eigentliche Umzugsabenteuer beginnen – und davon das nächste Mal mehr!
Hallo Berthold,
es ist vorstellbar, dass so ein Umzug samt Haus kein Zuckerschlecken ist. Zumal du etwas Gewachsenes verlässt bzw. verlassen musst und das Neue vermutlich erst mit der Zeit in eine wohlige Form bringen wirst. Da du dich ja bereits mitten im Ab- und Aufbau befindest, könnte ich jetzt den grünen Flattr-Button drücken oder dir zwei Hände und Arme zum Anpacken anbieten… 😉
Ich wünsch dir viel Kraft beim Werkeln und natürlich viel Freude beim NEUaufbau.
Herzliche Grüße sendet dir
Christian