Oh ich weiß noch, als amazon damals neu war. Das Internet auf dem heimischen Computer war damals noch halbwegs neu und man wählte sich unter absurden Quietschgeräuschen ein. Es war aufregend: Auch Bücher aus Großbritannien oder Amerika waren einfacher zu bekommen, außerdem wurde die Ware ja direkt nach Hause geliefert. Beeindruckend.
Mittlerweile sind wir es gewohnt, alles auch online zu bekommen. Heute bestellt, morgen schon da – nicht nur bei amazon ein Standard. Ich lebe mittlerweile seit ein paar Jahren ohne amazon. Vorweg: Das geht hervorragend. Was mich dazu gebracht hat, mein Handeln zu überdenken und auf amazon zu verzichten habe ich euch mal niedergeschrieben…
Zustände von Arbeitern
Immer wieder gibt es Skandale über die Zustände in den Lagern und Logistikzentren von amazon. Hier werden Angestellte massiv überwacht, sogar ihre Toilettengänge werden notiert und wer zu oft geht ist direkt seinen Job los. Ebenfalls müssen die Wege effizient geplant werden: Wer die Regale in der falschen Reihenfolge auf der Suche nach den richtigen Waren abklappert wird direkt abgemahnt. Grade jetzt zur Weihnachtszeit werden massenweise Leiharbeiter zu Niedriglöhnen eingestellt, die für sehr wenig Geld unter wahnwitzigem Druck stehen. Immer wieder kommt es zu Streiks, tatsächlich verändern scheint sich aber kaum etwas. Mit dem Kauf bei amazon unterstützen wir diese Praktiken.
Ich zahle Steuern – und amazon so?
Ich verdiene nicht besonders viel Geld, aber davon geht ein ganz beachtlicher Betrag für Steuern drauf. Und das ist gut so, denn nur so kann ein halbwegs sozialer Staat funktionieren. amazon nutzt Steuerschlupflöcher und entzieht sich so Beträgen in Milliardenhöhe. Hier muss die Politik einschreiten, aber auch wir können etwas tun: Nicht bei amazon einkaufen.
Lieblingsgeschäfte und gute Beratung
Ich habe für verschiedene Bereiche verschiedene Lieblingsläden. Da werde ich beraten, mir werden Dinge empfohlen und Erfahrungen ausgetauscht. Meine Buchhändlerin weiß, welche Bücher mir gefallen haben und welche nicht. Meine Klamottendealerinnen sagen mir ehrlich, was mir steht und was ich besser im Regal lassen sollte. Im Schuhladen kann ich die Schuhe direkt anprobieren und mir die Verarbeitung anschauen. Wenn wir immer mehr Stuff bei amazon und Co bestellen, können diese kleinen Läden nicht mehr überleben. Ich würde nicht gerne in einer Stadt ohne Leseglück, Loveco, Aware Berlin und so weiter leben… ihr etwa? Um das Aussterben des Einzelhandels zu unterbinden hilft nur eins: Hingehen und dort kaufen. Selbst wenn es mal zwei Euro teurer ist, die kriegen nämlich nicht so gute Deals wie amazon.
Was Mutter Natur sagt
Durch Shops wie amazon wird wahnsinnig viel Ware durch die Gegend geschickt. Das sorgt für mehr LKWs auf den Straßen, mehr DHL-Busse in der Stadt und immer mehr unter Druck stehende Paketboten. Die arbeiten oft unter ähnlichen Bedingungen wie die Angestellten in den Logistikzentren. Und das, um uns ein Buch die Treppe raufzutragen, das wir auf dem Weg vom Büro nach Hause easy hätten im Buchladen abholen können. Hier und da gibt es Dinge, die man nur online bekommt oder wo Versand Sinn macht. Ein Groß könnte aber auch anders besorgt werden. Von den Retouren mal ganz abgesehen. Wie viele Leute kriege ich mit, die sich Schuhe direkt in drei Größen bestellen und mindestens zwei wieder zurückschicken. Von der anfallenden Verpackung mal ganz abgesehen… Dass das nicht nachhaltig sein kann, dürfte jedem direkt auffallen, oder? 😉
Alternativen
Wer in Berlin, Hamburg, Köln und anderen großen Städten lebt braucht kaum eine Alternative: Geht einfach wieder raus und in den Einzelhandel. In ländlicheren Gegenden ist das nicht immer möglich, das Angebot ist kleiner und die Geschäftszeiten oft nicht so gut. Aber auch hier ist es nicht nötig, bei amazon zu kaufen. Ich habe seit Jahren nicht mehr dort bestellt, es gibt alles auch wo anders. Bücher lassen sich zum Beispiel bei Fairbuch.de bestellen. Viele Ladengeschäfte haben mittlerweile auch Online-Shops, einfach mal nach den Favoriten suchen, da findet ihr bestimmt was. Auch die Händler, die bei amazon eingetragen sind, finden sich immer auch noch mit eigenem Online-Shop. Wer darüber bestellt, bezahlt das gleiche und der Händler muss keine Gebühr an amazon abdrücken. Gerne versuche ich auch, euch zu helfen, wenn ihr Alternativen sucht.
Also – no more excuses! Auf zum Einzelhandel, auf zu kleinen, feinen Onlineshops. Lasst uns das auf 20 Milliarden Dollar geschätzte Vermögen von amazon-Gründer Jeff Bezos nicht noch weiter wachsen lassen. Für eine bunte, vielfältige Stadt!
<3
Edit: Ich wurde grade von einer Kollegin nach meinen Quellen befragt. Stimmt, die habe ich hier nicht klar stehen. Die habe ich nämlich gar nicht alle parat – das sind Infos, die sich nach und nach angesammelt haben. Sie stammen alle aus Zeitungsartikeln, Radiosendungen und Co, nicht aus meiner eigenen, investigativen Nachforschung. Ich habe aber keinen Anlass davon auszugehen, dass FAZ, Zeit, rbb und Co diese Fakten ausdenken, um das liebreizende amazon zu ärgern. Gebt einfach mal „amazon Kritik“, „amazon Streik“, „amazon Mitarbeiter“ und so weiter in eure Suchmaschine ein und wühlt euch durch, wenn euch nach mehr Futter zu dem Thema ist.
Hallo Anna,
toller Artikel, der mir aus der Seele spricht.
Vor allem die Prime Mitgliedschaften machen es den Kunden viel zu einfach immer mehr online zu bestellen.
Da gehe ich ebenso wie du gerne mal um die Ecke und schleppe die Tüten selber, als andauernd online zu bestellen.
Bücher kann man, auch gleich zum Thema Nachhaltigkeit, beim Ökom Verlag bestellen.
Liebe Grüße,
Martin
Ja, dann muss es halt ein anderer schleppen…
Ganz genau! Ich finde es total schade, dass viele Youtuber, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, durch Amazon Affiliate Links Geld verdienen. Erstens weil es mich enttäuscht, dass ihnen diese Problematik offenbar nicht so wichtig ist, und zweitens weil ich sie eigentlich gerne unterstützen würde, aber eben nicht bei Amazon einkaufen möchte.
Falls ich irgendwann mal versuchen werde, mit meinem Youtube Kanal Geld zu verdienen – auf diese Weise werde ich es ganz sicher nicht tun!
Ja, das nervt mich auch immer total – sehe ich leider ganz, ganz häufig… 🙁
Liebe Anna, danke ganz besonders, dass du auch die Alternativen nennst. Es ist leicht (und richtig!), Amazon zu kritisieren, aber gut ist es auch, Argumente zu liefern, warum man angeblich auf den Laden angewiesen ist.
Lieber Berthold,
wie meinst du das genau, „warum man angeblich auf den Laden angewiesen ist“?
Meinst du damit, warum man auf amazon angewiesen ist? Ist man – meiner Meinung nach – nicht.
Meinst du, warum wir auf innerstädtische Geschäfte angewiesen sind? Weil wir da beraten werden, weil wir da ins Gespräch kommen, weil wir da Anprobieren, Ausprobieren, durchblättern (…) können. Es wird deutlich weniger CO2 ausgeschüttet, wenn wir mit dem Fahrrad zum Buchladen fahren, als wenn der DHL-Bote jedem seine Buchbestellung bringt. Und das ist auch auf alle anderen Bereiche anzuwenden…
Erklär mir deine Frage noch mal richtig, dann kann ich genauer versuchen eine Antwort zu finden 🙂
Danke!
anna
Ein ganz wichtiger Artikel!
Ich glaube, man muss den Skandal um Amazon eigentlich noch viel mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Auch, wenn er ein paar Mal durch die Medien gegangen ist und viele Menschen irgendwie wissen, dass das nicht okay ist, was da läuft, kaufen die meisten immer noch dort ein – weil es bequem ist, vielleicht aber auch, weil sie die Alternativen nicht kennen.
Umso wichtiger finde ich es, dass immer wieder wiederholt wird, was es mit Amazon auf sich hat und worauf man ausweichen kann, wenn man ihm aus dem Weg gehen möchte. So kompliziert ist das nämlich glücklicherweise gar nicht. 🙂
Liebe Grüße
Jenni
Hi Jenni,
ja eben – es ist so gut wie kein Aufwand, um amazon und Co herum zu kommen.
Ich denke, wenn die Menschen an verschiedenen Stellen immer wieder davon lesen, verstehen sie es vielleicht irgendwann…
Viele Grüße
Anna
Du spricht mir aus der Seele! Vielen Dank für den Post!
<3
Es gibt Alternativen!
Nicht nur Bücher gibt es bei Amazon. Aber es gibt ja auch faire Alternativen, die es versuchen besser zu machen, auch wenn noch nicht der gleiche Umfang an Produkten vorhanden ist. Ein Beispiel ist Fairmondo, da kann man sogar Genosse / Genossin werden und selbst über die Unternehmenspolitik mitbestimmen. Habe den Namen in Deiner Website-Suche nicht gefunden, deswegen wollte darauf einmal hinweisen.
Gruß Fabian
Hi Fabian,
stimmt Fairmondo ist eine gute Alternative. Da könnte ich echt mal was drüber schreiben 🙂
Danke für deinen Input.
Ganz liebe Grüße
Anna
Toller Artikel, der genau die Punkte zusammenfasst, die mir an Amazon auch sauer aufstoßen. Der Konzern ist mir einfach unsympathisch, weswegen ich es auch vermeide, dort zu bestellen.
Da ich glücklicherweise in einer Stadt wie Berlin lebe, habe ich unendlich viele Möglichkeiten, im Einzelhandel einzukaufen. Möchte ich doch bestellen, dann mit einem viel besseren Gefühl bei nachhaltigeren und fairen Labeln.
Danke für die schöne Zusammenfassung! Die werde ich einigen unbelehrbaren Freunden von mir empfehlen. 😉
Liebe Grüße,
Meike
Liebe Meike,
ja, manche bestellen sogar ne Kiste Bier bei amazon.. Das ist so kopflos… natürlich ist es selten böse gemeint, aber ich denke wir sollten versuchen immer mehr Leuten die Augen zu öffnen 🙂
Liebe Grüße und noch eine schöne Adventszeit!