Freud und Leid eines Gärtnerneulings

Weiter geht es mit den Berichten aus Bertholds Garten.

Der erste Schock ist überwunden, und ein Garten erscheint mir auf einmal nicht mehr wie eine unlösbare Aufgabe. Aber ebenso schnell wie die Euphorie eingekehrt ist, kommt auch die Ernüchterung: Was zuerst aussah wie ein paradiesischer, liebevoll gepflegter Garten, der mir nicht mehr abverlangt als ein paar gemütliche Kontrollgänge und in dem ich mich nur in den Liegestuhl legen muss, während die Natur den Rest von selbst erledigt (vielleicht noch mit Hilfe von ein paar Heinzelmännchen, Gartenwichteln und fleißigen Bienchen), entpuppt sich als tückisches unberechenbares Monster.

2011-09-14-Sonnenuntergang

Wie in einer Wohnung gibt es nicht nur die Ordnung vor, sondern auch in den Schränken oder besser gesagt in den Beeten, und je länger ich arbeite, desto mehr Probleme sehe ich. Kaum habe ich einmal einer Ecke auch nur ein bisschen zu lang den Rücken zugekehrt, hat sich dort ein garstiges Gewächs ausgebreitet, sprießt hartnäckiges Unkraut oder ist irgendetwas eingegangen.

Und die Früchte der Arbeit darf ich natürlich auch nicht sofort genießen: Die Eichhörnchen erledigen den Haselnussstrauch, und die Amseln fressen die Kirschen, bevor sie überhaupt richtig reif sind.

„Netze überstreifen!“, lautet ein Ratschlag in einem Internetforum. „Bloß nicht – da verfangen sich die Tiere nur. Besser CDs an Fäden aufhängen, das schreckt sie ab!“, rät ein anderer Gärtner. Vielleicht nächstes Jahr …

Zu allem Überfluss bekommen die Blätter des Kirschbaums schwarze Flecken, andere Pflanzen leiden unter einem weißen Belag oder bekommen Blattläuse.

Und dann: Iiiii, eine Nacktschnecke! Was heißt da, eine? Glibbrige Spuren ziehend fressen sie gnadenlos alles nieder, was da Salat oder mein geliebtes Basilikum werden sollte. Noch ekliger als die Biester selbst sind die eingesammelten Tipps zu ihrer Beseitigung: Schaffe ich es, sie mit der Gartenschere zu killen? Oder soll ich womöglich asiatische Laufenten mieten?

Chemie kommt für mich natürlich sowieso nicht in Frage, und Brennnesseljauchen und andere Naturmittel sind mir am Anfang erst einmal zu mühsam. Immerhin finde ich einen wunderbar einfachen Trick gegen Blattläuse – ich nehme den Gartenschlauch und spritze sie von den Blättern; unten sind sie hilflos, und die wenigen auf den Blättern verbleibenden Tiere werden von Marienkäfern und anderen natürlichen Feinden gefressen: Ich helfe der Natur also nur ein wenig nach, ohne Gift einsetzen zu müssen.

Von Mehltau, Schimmel, Sternrußtau und ähnlichen Krankheiten befallene Pflanzen entferne ich entweder ganz oder entsorge zumindest die befallenen Blätter – bloß dürfen die nicht in den Kompost, und um Himmels willen, wohin mit dem ganzen Abfall? Während ich ratlos auf einen wachsenden Berg starre, tummeln sich hinter mir Mäuse, mampfen die Schnecken, picken die Vögel, schießen wilde Triebe an den Bäumen in die Höhe und vermoost der Rasen. Die Schläuche spritzen mir ins Gesicht, der Rasensprenger gerät ins Hüpfen, für den Rasenmäher fehlt die Bedienungsanleitung, die Hecke müsste endlich geschnitten werden – ach, es ist zum Verzweifeln!

Nun gut, ich lasse kaum eine Peinlichkeit aus, aber bekanntlich ist ja auch kein Meister vom Himmel gefallen. Bald lerne ich ein paar Lektionen:

– nur nicht alles auf einmal machen wollen – stattdessen sich Zeit nehmen und Gelassenheit entwickeln.

– wenn etwas schief geht: Nicht ärgern, nächstes Mal besser machen – und die Natur hat nicht nur viel Macht, sie verzeiht auch viel.

– sich Tipps holen – es gibt genug kluge Leute, die sich freuen, ihre Weisheiten loszuwerden.

2012-06-25-Ringelblumen

Zunächst einmal studiere ich die Anleitung für meine elektrische Heckenschere. Zwar komme ich mir anfangs vor, wie Eduard mit den Scherenhänden oder das Kettensägenmonster aus einem Zombiefilm, und natürlich wird der Schnitt nicht perfekt, aber immerhin!

Der Abfall überfordert den Kompost und ist zu klein für einen Häcksler – aber ich entdecke die Laubsäcke der BSR als Abhilfe für mein Entsorgungsproblem und als praktikable Lösung für den autolosen Gärtner. Spritzende Schläuche? Dafür gibt es neue Dichtungen.

Nach diesem Horrortrip kommt dann wieder Freude auf, und dieses Auf und Ab erlebe ich von da an immer wieder, wenn auch zum Glück mit abflachender Dramatik.

Vor allem reift in mir auch immer mehr die Erkenntnis, dass ICH bestimmen kann, was angebaut wird und wächst. Nicht dass das dann hinterher alles auch so funktioniert wie gedacht, aber warum soll ich mir Mühe mit Pflanzen geben, die mir nicht gefallen?

Zuerst einmal stelle ich den Grundsatz auf, dass ich nichts in meinem Garten will, das giftig ist oder piekst – ich will in ein Beet hineinfassen können, ohne mir jedes Mal einen Ratscher zu holen oder Spezialhandschuhe anlegen zu müssen. Heißt: Garstige Dornengewächse haben zu verschwinden, stattdessen will ich viel Lavendel und leckere Kräuter.

2012-07-15-Zitronenmelisse

Da ich bei manchen Pflanzen immer noch nicht weiß, wie sie eigentlich heißen, habe ich angefangen, Namen zu vergeben. Ein unscheinbares Schattengewächs, das sich unauffällig breit macht, heißt „Angela Merkel“, ein massiver rundlicher Strauch „Der dicke Otto“, und ein Stachelbusch bekommt den Namen „Marlies“, weil er mich an die kratzende beißende Petze erinnert, die in der Grundschule neben mir saß (als ich einmal richtig schlechte Laune habe, lasse ich sie übrigens mit einer Axt an dem Monster aus und schaffe mir und dem Gartenschlauch damit endlich den dringend benötigten ungehinderten Durchgang vom Wasserhahn zum Beet).

Auch wenn dem Ungeziefer und Krankheiten vor allem im ersten Jahr einiges zum Opfer fällt, gibt es übrigens immer noch eine Menge zu ernten, und bald kann ich mir zum Abendessen einen Salat zusammenpflücken – mehrere Pflücksalatpflanzen habe ich vor Schnecken schützen können, ein paar Tomaten sind gekommen, Ruccola ist schnell gesät und noch leichter zu ernten. Aus Kräutern mache ich ein Pesto, die Pasta kann ich in der Laube lagern – und fertig ist die Selbstversorgermahlzeit! Und das Getränk? Zitronenmelisse und Pfefferminze sind nicht nur schön und pflegeleicht, sondern auch lecker als Tee.

2012-06-24-Tomatenbeet

Und den kann ich genießen, wenn es dunkel wird, der Igel raschelnd nach Schnecken sucht und die Eulen auf Mäusefang gehen. Es lebe das biologische Gleichgewicht!

Die anderen Artikel von Berthold finden sich übrigens hier.

 

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