Über die Fusion schreibt man nicht. So wie man im Berghain keine Fotos macht. Oder googlet, wie Cro ohne Pandamaske aussieht. Die Fusion gehört denen, die da sind. Eigentlich. Aber Besitzdenken ist so last season und ich bin mal wieder so selig aus Lärz heim gekommen, dass ich mein Ponyhof-Glück einfach in die Welt schreiben muss: Eine bessere Welt ist möglich, zumindest für ein Wochenende. Ein paar Tage feiern 50.000 Feen und Elfen in MeckPomm auf einem Sponsoren- und VIP-Bereich-freien-Vegi-Festival friedlich die Parallelgesellschaft. Es gibt Kunst, Kultur und kostenloses Wasser en masse und jeder Feuerspuckerfloor hat eine PA, von der manche Berliner Clubs nur träumen. Kein Wunder, dass Tickets meist nach 24 Stunden ausverkauft sind. Jeder Einzelne unseres lustigen Camps hat zwischen Live-Bühne, Bachstelzenschaumwagen und Badesee wahrscheinlich seine ganz eigene Fusion erlebt. Nur zum Tanzen angehalten sind wir alle: „Das ist kein Campingurlaub!! Der Tanzmuffelpilz darf sich nicht breit machen. Kehrt so schnell wie es geht zurück auf die Tanzfläche!“ ermahnt uns der selbsternannte Peitschenmann aus dem Nachbarlager jedes Mal väterlich, wenn wir in unsere Zelte kriechen. Alle Besucher sind einfach herzlich zueinander, gnadenlos ist nur der Sound auf dem Trancefloor und manchmal natürlich das Wetter. Klar, es gibt auch Zeltschlitzer und Leute die zu tief an Tütchen genascht haben – aber für eine Massenveranstaltung ist die Idiotendichte erstaunlich gering. Was auch daran liegt, dass die aggro Volksdroge Spirituose kaum zu finden ist.
Auch beim Thema Naturschutz sind die vor allem ehrenamtlichen Organisatoren so geil konsequent, dass ich sie knutschen könnte. Ein großes Umweltproblem sind Kippenfilter, die nach Festivals zu tausenden auf Wiesen und Äckern liegen bleiben und kaum einzusammeln sind. Daher gibt es auf dem gesamten Gelände nur filterlose Kippen zu kaufen. Und für mich – ich werde auf Festivals immer zum Raucher und habe mir Filterkippen mitgebracht – gibt es einen Taschenaschenbecher zu erwerben. Nur echt mit der Fusionrakete.
Jetzt habe ich doch ganz schön viele Details ausgepackt. Aber es ging einfach nicht anders. Ich bin gerade beruflich bedingt auf sehr vielen Festivals unterwegs und finde ganz einfach: Liebe Veranstalter der Republik, ach was des gesamten Globus, ihr solltet euch hier was abgucken. Steckt eure Eintrittsgelder nicht in die Tasche, sondern in die Kunst. Und eure „Green Camping“-Areale liebe Hurricanes und RockamRings sind doch billiges Greenwashing. Hier gibts zwar weniger Stromaggregate, also weniger Lärm, aber ich erwarte da ein bisschen mehr Einsatz für das Prädikat „green.“ Ihr solltet eure Besucher außerdem nicht mehr als willenloses, abzumelkendes Klatschvieh behandeln. Und liebe Festivalbesucher: lasst euch nicht immer so als willenloses, abzumelkendes Klatschvieh behandeln. Let`s unf*ck the world. So.
Ein paar andere Festivals haben übrigens erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit vorgelegt. Das Melt! hat jetzt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und das tolle Projekt M!eco gestartet. Und das Wacken ist intensiv mit Heavy-Müllreduzierung beschäftigt. Beide Festivals haben übrigens den „Green’N’Clean Award“ gewonnen. Sehr ans Herz gelegt sei euch an dieser Stelle das Interview mit Jacob Bilabel von der Green Music Initiative und unseren Kollegen von Biorama.
Meine nächste Festivalstation ist das Sea of Love bei Freiburg. Ich bin gespannt ob die in Sachen Nachhaltigkeit eher auf Al Gore oder George Bush machen. So schön wie hier wirds aber sicherlich nicht werden:
http://youtu.be/7ksOZVHLd58
[…] keinen Zigarettendreck zu hinterlassen. Klingt alles sehr nett, weitere Eindrücke könnt ihr in Julias verliebtem Artikel von vor drei Jahren […]