Bye bye Commerzbank. Ein Abschiedsbrief.

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Liebe Commerzbank,
lieber Vorstandsvorsitzender Martin Blessing,
lieber Aufsichtsratsvorsitzender Klaus-Peter Müller,

ihr ahnt schon was jetzt kommt. Ich mache mit euch Schluss. Ich möchte mich endgültig trennen. Ich möchte nicht mehr euer Logo im Portmonee tragen. Ich möchte nicht mehr, dass ihr komische Dinge mit meinen Talern anstellt, die ich meinen Talern sonst niemals erlauben würde.

Aber fangen wir von vorne an.  Als ich damals nach Berlin gekommen bin, ein paar Jahre ist das schon her, habe ich eine neue Bank gesucht. Hamburger Sparkasse war als Neu-Berlinerin irgendwie keine Option mehr. Die Dresdner Bank lag um die Ecke und fühlte sich okay an. Nach einem halben Leben bei der regionalen Sparkasse war ich jetzt Kundin von einer richtigen Bank. So wie die Menschen von Welt aus dem großen Business. Toll.

Mehr als ein Gefühl verband ich mit der Bank auch nicht. Ich hatte keine Vorstellung davon, was eine Bank mit dem Geld ihrer Kunden macht. In den Keller legen, bis die Kunden es wieder abholen. Anderen Leuten leihen, die ihren Dispo überziehen. Keine Ahnung. War mir auch nicht so wichtig. Banken sind eine komische Graue-Männer-Welt und wer sich zu viel damit beschäftigt wird auch einer. Pfui, das will man nicht. Und so beschränkte ich meine Berührungspunkte auf  Geld ein- und auszahlen, Riester-Rente-Telefonate abwimmeln, Online-Banking machen. Fertig. Bei Frankfurt dachte ich an Adorno, nicht an Hedgefons  und Risikospekulationen. Nein, ich beschäftigte mich lieber mit den Dingen, die schöngeistige Studenten so tun: Ausstellungen besuchen, Bücher ausleihen, Reisen, tanzen gehen.

Mit der Zeit drangen die ersten Nachrichten und Begrifflichkeiten in meine Ponyhofwelt durch, die mich stutzig machten. Los ging es mit dem Kauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank. Commerzbank. Was für ein Name. Irgendwie ehrlich, aber passt das zu meinen Werten, meinem Selbstbild?  Ich las hier und da was über Zocker und Heuschrecken und Immobilienblasen. Und dann, caramba,  krachte die Finanzkrise in alle Kanäle.  When Gewinnmaximierung goes wrong. Auf einmal brauchtet ihr, liebe Commerzbank, 18,2 Milliarden € Rettungsgeld. Meine schicke Bank für den Business-Mensch von heute war broke! WTF. Alle schienen sehr aufgeregt und mein Junior-Einstiegsgehalt und ich mitten drin. Ich ignorierte die Graue-Männer-Ansteckgefahr und  versuchte mich in das Thema einzuarbeiten. Und umso mehr ich über euch las, desto mehr Fragen hatte ich. Was macht ihr eigentlich sonst so den ganzen Tag? Stimmt es, dass die Commerzbank einer der großen Finanzierer der europäischen Atomwirtschaft ist? Spekuliert ihr auf Nahrungsmittel? Zieht ihr Kleinanleger über den Tisch?  Helft ihr den Reichen bei Steuervermeidung und lasst euch dann von Steuergeldern retten? Gebt ihr Großschlachtereien Kredite und kleinen Bio-Bauern nicht? Seid ihr irgendwie an Rüstungsgeschäften und Regenwaldrohdung beteiligt? Supportet ihr die Realwirtschaft überhaupt oder zockt ihr nur mit euresgleichen? Und das wichtigste: ihr hattet doch so viel Asche, also warum seid ihr broke? Habt ihr nichts für schlechte Zeiten gespart?

Die Informationslage war schwierig und auf viele Fragen habe ich keine konkrete Antwort bekommen. Transparenz ist nicht eure Stärke. Und wer kann schon erklären, was da wirklich passiert ist? Ich musste an die Worte meiner hochkonservativen Großtante denken. Sie sagte zu mir: „Weißt du was mich am Sozialismus nervt? Er fragt nicht genau genug: warum ist der Arme arm, und der Reiche reich? Vielleicht hat der Arme seine Chancen einfach nur versoffen.“
Ja Großtante, dachte ich, wahrscheinlich hat die Commerzbank ihre Kohle einfach nur versoffen. Und verfeiert und verspielt. Nicht umsonst kann man die Finanzkrise mit Hilfe von Fuselanleihen erklären. Und jetzt sollte ich das bezahlen, weil Alkoholiker-Banken„systemrelevant“ sind. Na gut. Ich fand mich damit ab. Jeder hat eine 2. Chance verdient.  Vielleicht habt ihr ja was draus gelernt. Bankwechseln ist ja auch ganz schön aufwendig und ich wurde auch gerade befördert und und hab so viel zu tun und gar keine Zeit und wo soll ich denn hin mit meinen Talern, sind doch eh alles Verbrecher.  Also bin ich geblieben.  Auch als ihr wieder Millionen-Boni bezahlt und Chef-Gehälter verdreifacht und AKW-Betreibern ein paar Scheinchen zugesteckt habt. Als ihr eure Bilanz so hingestellt habt, dass ihr dick im Geschäft seid, aber keine Gewinne macht, damit ihr keine Zinsen auf die Rettungsgelder zahlen müsst. Alternativlos war Zurecht das Unwort des Jahres 2010.

Doch dann habe ich von „nachhaltigen Banken“ gelesen. Alternativen Banken hätte ich vor ein paar Jahren wahrscheinlich unterstellt, dass die nichts können. Aber diese Banken brauchten im Gegensatz zu den „seriösen“ Big Playern während der Krise keine Staatsgelder. Sie investieren mit dem Geld ihrer Kunden nicht in Risiko-Spekulationen, sondern in ethisch und ökologisch vertretbare Projekte. Zum Beispiel in Bio-Landbau und Naturkosthandel, nachhaltige Mode, erneuerbare Energien, soziale oder kulturelle Unternehmungen. 250.000 Menschen sind schon Kunde bei einer der vier ethischen Banken in Deutschland: GLS Bank, Umweltbank, Ethikbank und Triodos Bank.

Ich musste leider unsere Fotos und Karten zerschneiden, liebe Commerzbank. Um in meinem Portmonee Platz für jemand neuen machen. Und ich muss sagen: es fühlt sich fantastisch an. Ich freu mich jedes Mal, wenn ich meine Triodos EC-Karte an der Kasse zücken darf. Cool people do business with good banks.

Liebe Grüße,
Julia

martina jäger

Krötenwanderung via martina Jäger / systemrelevante Kunst

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Kategorien Engagement

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Im Gegensatz zu Kunst sollte Essen bodenständig sein. Ich bin für: Das große Ganze untersuchen // das Kleine bewundern // Entdeckungsreisen // Gute Laune // konkrete Pläne // abgefahrene Ideen // Fusion ohne Regen // Transparenz & Lobbycontrol// Arbeit, von der man leben kann. Überall auf der Welt // sich anmalen // vegi Ernährung (gelingt mir noch nicht immer) // Gui Boratto im Sonnenuntergang – ermöglicht durch eine Photovoltaik-Anlage // Sich reinhängen // Ökosoziale Marktwirtschaft versuchen // nicht mehr verbrauchen als einem zusteht // Einen Ort, an dem ich meinen Gedankenwust platzieren kann: Green Friday. Pop & Poesie gibt es hier: http://juliafriday.tumblr.com Bunte Bilder: http://pinterest.com/juliaschimanzky/

7 Kommentare zu “Bye bye Commerzbank. Ein Abschiedsbrief.

  1. Danke für die Infos, ich bin inspiriert und motiviert! Ich möchte mich auch endlich besser fühlen und Gutes mit meinem Geld tun 🙂

  2. Hallo Julia, super Brief den du verfasst hast! Ich hab mich jetzt auch getraut und zur Triodos Bank gewechselt. Ob sie nun „verbandelt “ ist,,kann ich natürlich nicht absolut sagen, aber irgendwie muss man ja beginnen.
    kennnst du perspective daily ? Eine neue Internetplattform, die sich seit heute gegfündet hat- ich finde, du passt da gut rein;-) lieber Gruß von Frida

  3. Hey Julia,

    Bei mir ist’s jetzt auch so weit.
    Jede große Reise beginnt mit einem ersten Schritt.
    Es geschieht so viel Mist auf der Welt und oft frage ich mich, was ich als „kleiner Mann“ schon ausrichten kann. Aber wo soll es anfangen, wenn nicht bei jedem einzelnen?!
    Also:
    Bei Amazon wird nicht mehr eingekauft, meine Emails liegen bei posteo und Starbucks betrete ich lediglich im Ausland Zwecks kostenlosem WLAN 😉
    Als nächstes steht der Bankenwechsel an.
    Mal sehen ob Triodos oder GLS.

    Mich würde interessieren, ob Du je irgendeine Resonanz seitens der Commerzbank erfahren hast.

    Beste Grüße und vielen Dank für Deinen Blog!
    Jan

    • Hallo Jan,
      die Commerzbank hat nach meine Kündigung angerufen und nach Gründen gefragt. Sich nach meiner Erklärung aber auch nicht mehr gemeldet.

      Ich wünsche Dir ganz viel Spaß auf der Nachhaltigkeitsreise, auch wenn sie manchmal zäh ist, es lohnt sich und man trifft ein paar interessante Menschen 😉

      Viele Grüße,
      Julia

  4. Bombiger Brief an die Commerzer! Haste echt genial geschrieben. Hätte rückblickend vieles davon auch gern der Deutschen Bank gesagt, also ich ihr letztes Jahr erst fremdgegangen und dann abgehauen bin (um mit der Umweltbank durchzubrennen). Leider hab ich mich ganz still und leise verabschiedet. Dabei können die echt mal wissen, wie UNGUT die sind, um nicht zu sagen.., äh naja, sparen wir uns das.

    • oh da bin ich neugierig: warum hast du dich für die umweltbank entschieden? 🙂 kannst du mir auch gerne per mail schreiben.

      • Nun ja, die Antwort ist ganz einfach: Mir wurde die Umweltbank von einer Freundin empfohlen (die Tochter von einer grünen Politikerin ist) und ich hab mir da ein paar Broschüren bestellt und alles in allem schien nichts dagegen zu sprechen. Hab dort jetzt ein Tagesgeldkonto und ein Sparvertrag. Der Zins ist ziemlich schlecht, halt noch ein kleines bisschen schlechter als bei den „konventionellen“ Banken, aber ich finde trotzdem das mein Geld halt GUT angelegt ist. Und Zins ist im Prinzip auch irgendwie der Ursprung allen Übels! Überlege schon manchmal, ob es vertretbar ist, überhaupt Zinsen zu empfangen… Aber das ist ein eigenes Thema:-)

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